Virtual Tattoo

 

Leseprobe:
„Hast Du eine Idee?“
Boris nickte. „Wann soll Ihre Darbietung stattfinden, Madame Nijinskaya?“
„Nächste Woche“, erwiderte sie. Sie würde auf dem Burning Mind Consciousness Festival in der Wüste von Black Rock in Nevada ihr neuestes Holoballett aufführen.
„Sie könnten dort Mir 3.0 freisetzen“, schlug Boris ruhig vor. „Das Netz damit fluten. Es wäre eine großartige Gelegenheit. Und wenn Mir 3.0 sich erst einmal als dominanter Typ etabliert hat, werden alle anderen Versionen untergehen. Sie werden vom Hauptstrom der neuesten und mächtigsten Version, die der Interscience bekannt ist, absorbiert werden.
„Ach ja.“ ein Leuchten legte sich auf die Miene der Nijinskaya. „Interscience – ein herrliches Wort. Die Wissenschaft vom neuronalen Interface. Um nichts anderes geht es ja bei diesem Burning Mind Festival, Boris. Es soll das große Interface zwischen dem Kollektiven Körper und dem Kollektiven Geist bilden.“
Sie strahlte, als sie eine Idee hatte. Ich werde meinen letzten Auftritt auf der Weltbühne ankündigen, Boris. Die Augen der Welt werden auf mich gerichtet sein! Nachdem ich meine letzte Nummer getanzt habe, werden wir den Virus freilassen. Ich werde dieses neue Ballett „Mir“ nennen.“

Der Roman spielt im Jahr 2036 auf unserer guten alten Erde. Im Internet tobt ein neuer kalter Krieg, in dem völlig neue Waffen zum Einsatz kommen. Die heimtückischte Waffe ist Mir 3.0, ein intelligenter Virus, der aus dem Weltraum kam, zunächst die russische Raumstation MIR befiel und schließlich zur Erde gelangte. Der Virus wird über virtuelle Tattoos übertragen, die ihre Besitzer einfach befallen und ihr Leben damit völlig auf den Kopf stellen.

Der Roman Virtual Tattoo von Alexander Besher liest sich nicht sehr flüssig. Das verhindern die zahlreichen Ausschweifungen, in denen der Autor versucht Humor in seinen Roman zu bringen, was ihm aber leider nicht immer gelingt. Die Ideen sind nicht schlecht, wenn er zum Beispiel auf unsere aktuelle Gegenwart verweist und sie mit der von ihm erdachten Welt verknüpft. Milosevic als fast hundertjähriger Kriegsverbrecher, der mittlerweile zum tibetanischen Buddhismus übergetreten ist, ist zwar eine nette Idee, jedoch sitzt die Pointe nicht. Wie leider auch an vielen weiteren Stellen.
Der Roman scheint in zwei Teile gespalten zu sein. In dem einen Teil scheint es dem Autor darum zu gehen, auf die Gefahren des Internets aufmerksam zu machen (irgendwie erinnert mich die Leseprobe an diverse Aktionen von Billy the Gates). Im anderen Teil versucht er, unsere heutige Welt überspitzt weiterzuzeichnen, was ohne Zweifel zu einigen Kuriositäten führen muß, jedoch gelingt die Synthese zwischen ernstem Anliegen und dem meiner Ansicht nach absolut notwendigen Humor nicht.
Man muß wahrscheinlich diese Cyberspace Romane lieben, um diesem Roman was abgewinnen zu können. Meine Sache ist es leider nicht.

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